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Verwaltungsgericht Osnabrück gibt Klage gegen Festsetzung eines Spezialmarktes in Osnabrück statt

Presseinformation Nr. 2/2024


OSNABRÜCK. Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Osnabrück hat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung am 21.12.2023 der Klage der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di stattgegeben, die diese am 15.03.2023 erhoben hatte. Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass die für sofort vollziehbar erklärte Festsetzung eines sogenannten Spezialmarktes durch die Stadt Osnabrück gemäß § 68 Abs. 1 der Gewerbeordnung (GewO) für Sonntag, den 19.03.2023, rechtswidrig gewesen ist.

Der Markt war auf Antrag und zugunsten der beigeladenen GmbH, die ein Baufachzentrum in Osnabrück betreibt, und für deren Betriebsgelände zur Durchführung eines Gartensonntages festgesetzt worden. Dabei sollten das Baufachzentrum öffnen und ringsherum zahlreiche Aussteller ihre Waren und Dienstleistungen aus dem Bereich Garten- und Landschaftsbau präsentieren. Zusätzlich waren Vorträge vorgesehen. Die Beigeladene teilte mit, ein Warenverkauf finde im Vergleich zu Werktagen – wenn überhaupt – nur in sehr geringem Umfang statt. Der Gartensonntag fand am 19.03.2023 statt, ohne dass die Klägerin zusätzlich zur Klage noch einen Eilantrag stellte.

Die Kammer hat der Klage stattgegeben. Die Klage sei zulässig – unabhängig davon, ob alle betroffenen Arbeitnehmer mit der Sonntagsarbeit einverstanden gewesen wären. Es genüge nach der Rechtsprechung, dass potentielle Veranstaltungen der ver.di an dem betroffenen Sonntag – und bei Verallgemeinerung derartiger sonntäglicher Veranstaltungen an weiteren Sonntagen – wegen nicht verfügbarer Arbeitnehmer einen geringeren Zustrom verzeichnen könnten und die betroffenen Arbeitnehmer nicht als Mitglieder geworben werden könnten.

Die Klage sei auch begründet. Der Spezialmarkt sei eine öffentliche bemerkbare Handlung, die dem Sonn- und Feiertagsschutz widerspreche und damit gemäß § 4 Abs. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über die Feiertage (NFeiertagsG) verboten sei. Eine Ausnahmezulassung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 NFeiertagsG sei nicht ausgesprochen worden, obwohl es ihrer bedurft hätte. Allein hieraus resultiere eine Rechtsverletzung der klagenden Gewerkschaft. Das Urteil selbstständig tragend sei im Übrigen auch festzustellen, dass eine Ausnahmezulassung nicht hätte erteilt werden können. Die Erteilung einer Ausnahmezulassung käme weder gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 NFeiertagsG noch gemäß dessen Nr. 4 noch gemäß dessen Nr. 5 in Betracht. Deren Voraussetzungen seien – unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Sonntagsschutzes – letztlich nicht erfüllt. Die hohen Anforderungen für eine Durchbrechung des Sonn- und Feiertagsschutzes, die sich aus Art. 140 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. Art. 139 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) ergäben, vom Bundesverfassungsgericht ausgeformt worden seien und bei der Anwendung einfachen Rechts nachgezeichnet werden müssten, lägen nicht vor. Es handele sich um eine gewerblich motivierte Veranstaltung, deren regelmäßige Wiederholung beabsichtigt sei. Der Markt sei auch nicht als eine das Umland prägende Traditionsveranstaltung mit einer von anderen Gartenmärkten abweichenden Einzigartigkeit des Warenangebots oder der Warenqualität einzustufen.

Das Urteil (Az. 1 A 157/23) ist noch nicht rechtskräftig und kann binnen eines Monats nach Zustellung der nunmehr vorliegenden Urteilsgründe mit der Zulassung der Berufung vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht angefochten werden.

§ 14 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Gesetzes über die Feiertage (NFeiertagsG) hat folgenden Wortlaut:

(1) Die Gemeinden können Ausnahmen zulassen

Nr. 1) von den Einschränkungen des § 5 Abs. 1 Buchst. a und b für Umzüge aus Anlass von Volksfesten, die örtliches Brauchtum pflegen und nur einmal im Jahr stattfinden,

Nr. 2) von den Verboten des § 6 Abs. 2 für gewerberechtlich festgesetzte Ausstellungen am Volkstrauertag, sofern der ernste Charakter des Tages nicht beeinträchtigt wird,

Nr. 3) von den Verboten und Beschränkungen des § 4 für Spezialmärkte nach § 68 Abs. 1 der Gewerbeordnung, wenn

a) zwischen den Marktveranstaltungen am selben Ort oder im selben Ortsteil ein Zeitabstand von etwa einem Monat liegt,

b) auf ihnen ausschließlich Waren angeboten werden, die keine Neuwaren sind oder die von den anbietenden Personen selbst hergestellt worden sind, und

c) mindestens 75 Prozent der Anbieter keine gewerblichen Anbieter sind,

Nr. 4) von den Verboten und Beschränkungen des § 4

a) für Spezialmärkte nach § 68 Abs. 1 der Gewerbeordnung, die nicht unter Nummer 3 fallen, und

b) für Jahrmärkte nach § 68 Abs. 2 der Gewerbeordnung,

soweit für die Märkte nach Buchstabe a oder b am selben Ort oder im selben Ortsteil jährlich nicht mehr als jeweils vier Ausnahmen genehmigt werden,

Nr. 5) von den Verboten und Beschränkungen der §§ 4 bis 6 und 9 aus besonderem Anlass im Einzelfall.

Artikel-Informationen

erstellt am:
16.01.2024

Ansprechpartner/in:
Frau Judith Rababah

Verwaltungsgericht Osnabrück
Stellvertretende Presssprecherin
Hakenstraße 15
49074 Osnabrück
Tel: 0541 314 730

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